Patientenverfügung und Demenz (Th. Klie)

Dürfen Verfügende ein „Opfer“ ihrer Festlegungen werden?

Sofern diese Frage in der Debatte rund um den Grund und die Grenzen von Patientenverfügungen von dem Rechtswissenschaftler Thomas Klie beantwortet werden soll, ist diese wohl eindeutig zu verneinen.

Neben seiner „Cave Patientenverfügung“ in dem sog. Freiburger Appell hat Klie bereits in seiner Eigenschaft als Präsident elect der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie im Jahr 2004 mahnend darauf hingewiesen, dass insbesondere auch die sog. Kutzer – Kommission empfohlen hat, dass Festlegungen in Patientenverfügungen auch für den Fall des Wachkomas und von Demenz verbindlich sein sollen und zwar auch dann, wenn ein Sterbeprozess noch nicht begonnen hat.

Klie hat in diesem Zusammenhang stehend zu bedenken gegeben, dass „wir aus der Forschung im Bereich Wachkoma und Demenz (wissen), dass Patienten sich im Krankheitsverlauf durchaus als zufriedene und Lebensqualität empfinden Menschen erleben und zeigen. Die Problematik des qualitativ anderen Selbsterlebens wird in den Empfehlungen der Kutzer Kommission nicht reflektiert“. (Quelle: Klie, Patientenautonomie am Lebensende - Vorsicht vor Wegbereitung aktiver Sterbehilfe, 2004, >>> www.dggg-online.de/kongress2004/2004_presse_klie.pdf ).


Auch wenn Klie unmittelbar vorher sich prinzipiell zum Patientenwillen auch des Demenzerkrankten bekennt, in dem er meint: „Zwar ist der Patientenwille auch in diesen Konstellationen in hohem Masse verbindlich“, kann dieses Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht des Demenzpatienten nicht überzeugen.

Dem künftig von einer Demenz bedrohten Patienten bleibt es gerade auch in „gesunden Tagen“ anheim gestellt, für den Fall einer Demenz patientenautonome Erklärungen abzugeben, die ohne Wenn und Aber verbindlich sind. Die Frage nach dem „qualitativ anderen Selbsterlebens“ ist grundsätzlich nicht von Bedeutung, denn im Rahmen seiner selbstbestimmten Entscheidungen trägt der Verfügende freilich auch die hohe Last der Eigenverantwortung. Sofern er also für den Fall einer dementiellen (späteren) Erkrankung Regelungen zu treffen gedenkt, muss er keine Rücksicht auf das „andere Selbsterleben“ nehmen, wenn er dies expressis verbis ausgeschlossen wissen möchte.

Mit anderen Worten: wir als künftige Patienten müssen nicht das „Leid“, dass wir ggf. aus eigener Wahrnehmung heraus in gesunden Tagen für uns selbst (!) „diagnostizieren“ – ggf. abgestuft nach der Verlaufssymptomatik der Demenzerkrankung – annehmen und damit die Lebensqualität in unserem späteren Zustand der Demenz abrufen und erfahren. Hierüber dürfen wir selbstverständlich selber entscheiden, so wie wir überhaupt davon Abstand nehmen können, uns im weitesten Sinne therapieren zu lassen. Auch der künftige Patient ist und bleibt insoweit mündig, wenn er meint, in gesunden Tagen patientenautonome Verfügungen treffen zu wollen. Ein paternalistischer Fürsorgeanspruch ist daher fehl am Platze und wenn überhaupt „Fürsorge“ angeboten wird, dann dürfte diese zuvörderst in einer Informationsvermittlung über die Demenz als Krankheit erblickt werden, während demgegenüber die Entscheidung über die Berücksichtigung und Wertung der neutralen (!) Informationen dem künftigen Patienten zu überlassen ist, zumal wenn dieser einstweilen noch frei von kognitiven Defiziten ist. Etwas annehmen zu wollen hieße zugleich, den mündigen Bürger und späteren Patienten bevormunden zu wollen – ein höchst inakzeptabler Umstand, wie ich meine.

Sofern also der künftig von einer Demenz Bedrohte meint, in seiner Entscheidung die neuere Demenzforschung einfließen zu lassen, wird er darüber eigenverantwortlich zu befinden und zu entscheiden haben und ggf. entsprechende Informationsangebote und Gespräche wahrnehmen. Ein etwaige „Beratungspflicht“ könnte hier einen entscheidenden Beitrag leisten, um so letztlich keine Diskussion über die Verbindlichkeit (!) der individuellen Entscheidung aufkommen zu lassen.

Quelle.
http://www.openpr.de/news/242164/Patientenverfuegung-und-Demenz-Duerfen-Verfuegende-ein-Opfer-ihrer-Festlegungen-werden.html

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