Artikel & Texte

"Ich bin doch keine böse Frau:" Zur Überlastung von Pflegenden (Roland Kunz)

Roland Kunz beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Pflege dementer Menschen. Er zeigt auf, wie wichtig auf Demenz-Abteilungen das emotionale Klima im Pflegeteam ist.

F: Im Zürcher Pflegezentrum Entlisberg haben Pflegerinnen demente Frauen nackt gefilmt. Wie kann es nur so weit kommen?
R. Kunz: Im ersten Moment war ich auch einfach nur schockiert, als ich das las. Beim darüber Nachdenken bin ich aber zum Schluss gekommen, dass es sich dabei wahrscheinlich nicht um bösen Willen, sondern um eine fehlgeleitete Reaktion auf eine Überforderung handelt. Diese unerhörte Respektlosigkeit ist wohl eine groteske Art, wie die Pflegenden die Belastungen ihres Berufsalltags verarbeiteten.

Volltext:

http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/kanton/PflegeheimSkandal-Das-geschah-wohl-wegen-berforderung/story/18623595

Aktuelle Debatte über Patientenverfügungen in der SZ

"Beim Wegbrechen der allerletzten Freiheitsgrade gibt die Vernunft keinen Sinn.

Andreas Zielke antwortet auf Kritik an der Patientenverfügung durch Luise Lauerer und Dirk Lüddecke, sie Juristin, er politischer Philosoph.

http://www.sueddeutsche.de/653385/472/2685473/Im-Ausnahmezustand.html

Kirche & Sterbebegleitung (Schweiz)

Seit 2000 Jahren begleitet die Kirche Sterbende auf ihrem letzten Weg. Dennoch sagt Abt Martin vom Kloster Einsiedeln: «Die Hilfe zu würdigem Sterben ist eine Herausforderung für die Kirche.» Mediziner und Psychologen fordern ein stärkeres Engagement der Kirche. Diese zögert.
[...]
Es sei wichtig, sagt [Roland] Kunz, Zeit zu haben für die Betroffenen, sie zu informieren, ihnen immer auch Alternativen aufzuzeigen und Raum zu geben für spirituelle, existenzielle Fragen – «und diese auch offen anzusprechen». Diese letzte Forderung stellte der Palliative-Präsident insbesondere an die Seelsorger und Kirchen bei deren Arbeit im Zusammenhang mit der Begleitung Sterbender. Seine Erfahrung zeige, dass die Seelsorger in dieser letzten Phase zwischen Leben und Sterben noch zu wenig auf die individuellen Bedürfnisse der Sterbenden eingingen, sagt Kunz.


Er liegt damit auf der gleichen Linie wie Monika Renz, die sich Kirchen wünscht, «welche die grosse Bedeutung spiritueller Erfahrungen im Sterbeprozess erkennen, die Dimension Gott ins Gespräch bringen und Sakramente und Riten als haltgebende Ordnungen einsetzen». Die Wünsche der beiden Referierenden an der Tagung der Bioethik-Kommission der Schweizerischen Bischofskonferenz kamen nicht von ungefähr: Gastgeber Abt Martin Werlen vom Kloster Einsiedeln hatte sie zuvor aufgefordert, «der Kirche mutig auf die Füsse zu treten, damit wir uns bewegen.» Die Ansichten darüber, was würdiges Sterben sei, gingen in der Gesellschaft auseinander, sagt der Abt: «Hier ist die Kirche herausgefordert, ihren Beitrag zum ganzheitlichen Wohl des Menschen einzubringen, konkrete Schritte zu einem würdigen Sterben zu unterstützen oder selbst zu initiieren.»

Volltext:
http://www.tagblatt.ch/aktuell/st.gallen/tb-sg/art140,1183396

Tod als Event (Reimer Gronemeyer)

Zwar wird unablässig betont, dass Sterben ein Teil des Lebens sei. Aber wer glaubt das wirklich? Was heute im Vordergrund steht, ist ein betreutes, überwachtes, anästhesiertes Ableben, an dem die Betroffenen selbst oft genug gar keinen Anteil haben. Sie sollen, dürfen und müssen zwar über alles mitentscheiden, es hat da geradezu einen Prozess der Demokratisierung des Sterbens gegeben: Sollen wir diese Therapie machen, Frau S.? Jenes Schmerzmittel einsetzen, Herr P.? Welchen Weg beschreiten wir da, wenn wir das Sterben zu einer kontrollierbaren, an Standards messbaren Angelegenheit werden lassen, die sich irgendwann folgerichtig zwingend an EU-Richtlinien orientiert? Wird sich dann nicht auch jemand aufmachen und Sterbeorte evaluieren? Werden wir dann ein Ranking der Sterbeorte brauchen, Gütesiegel, Zertifizierungen? Sind wir - boshaft gesagt - für das Sterben gut aufgestellt?
[...]
Die Geldgesellschaft ökonomisiert das Sterben, die Dienstleistungsgesellschaft trachtet danach, Sterben zu einem verwaltenden, kontrollierten und institutionalisierten Prozess zu machen, die Gesundheitsgesellschaft sieht das Lebensende zuerst als ein medizinisches Problem an: Ökonomisierung, Institutionalisierung und Medikalisierung des Sterbens sind die zeitgenössischen Weisen des Umgangs mit dem Lebensende, und man sagt nicht zuviel, wenn man vermutet, dass darin der Versuch erkennbar ist, mit den Mitteln der modernen Gesellschaft, den Schrecken des Todes zu bannen.
[...]


Volltext
http://www.das-parlament.de/2008/44-45/Themenausgabe/22604981.html

Eine Pionierin der palliativen Betreuung: Karin Wilkening

vö. Sie kann einfach nicht anders. Wo immer Karin Wilkening referiert, kommt sie innert Kürze unweigerlich auf das Thema «Sterben und Tod» zu sprechen. So auch diese Woche in Zürich. An einer Tagung des Zentrums für Gerontologie ist die deutsche Palliative-Care-Pionierin der Bitte nachgekommen, über «produktives Engagement im Alter» zu referieren. Nach wenigen Einleitungssätzen warf sie die Frage in die Runde: «Kann auch ein dementer oder sterbender Mensch noch produktiv sein?» Natürlich ist er das, bis zum letzten Atemzug – sofern die ihn umsorgenden Angehörigen und Pflegenden sein Fühlen wahrnehmen, lautet ihre klare Antwort.
Der Tod des eigenen Sohnes als Auslöser
Obwohl sie sich als Professorin an der Fachhochschule Braunschweig und als Lehrbeauftragte an der Universität Zürich wissenschaftlich mit dem Thema auseinandersetzt, will sie nicht als «Spezialistin für Sterben und Tod» gelten. «Es ist leichter, übers Sterben zu sprechen, wenn man selber noch nicht dran ist», hält die 60-jährige Psychologin fest. Und sie weiss: Wer selber mit einer Krebsdiagnose konfrontiert ist, wird ab diesem Moment anders über die verbleibende Lebenszeit sprechen als vorher. Zwar ist sie bis jetzt von einem solchen Perspektivenwechsel verschont geblieben. Doch hat sie ein anderes einschneidendes persönliches Erlebnis zum Thema geführt: Vor bald 30 Jahren ist ihr dreijähriger Sohn im Spital gestorben. Der Schock sitzt immer noch tief, und die Erinnerung ist weiterhin nah: das bange Warten auf der Intensivstation, auf der niemand die verzweifelten Eltern beachtete, die knappe Information des Arztes, das Bett mit der Leiche, das kurz danach auf den Gang geschoben wurde, und zehn Minuten später die Frage des Pflegepersonals: «Sind Sie jetzt fertig?»

Seither – und das ist mittlerweile ihr halbes Leben – setzt sich Karin Wilkening unermüdlich dafür ein, dass auch die mit dem Sterben einhergehenden Emotionen Raum erhalten und in den Institutionen eine entsprechende Gesprächskultur entsteht. Nach einem Aufenthalt in England, wo sie in den 1980er Jahren Hospize und Seminare für trauernde Menschen kennengelernt hatte, initiierte sie in Deutschland die ersten psychologischen Gesprächskreise für Verwitwete. Dank dieser Arbeit konnte sie ihre eigene Trauer bewältigen, wie sie rückblickend sagt. Die in England schon seit langem aktive Alzheimervereinigung gab ihr zudem den Impuls, sich für eine analoge Institution im eigenen Land einzusetzen. Dank ihrem Schwung konnte sie viele Menschen ins Boot holen; 1989 folgte die Gründung der deutschen Alzheimervereinigung.
Gefahr der Überreglementierung
Die mittlerweile mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Pionierin blieb lange eine treibende Kraft in der Hospizbewegung. Mittlerweile gibt es in Deutschland rund 130 Hospizinitiativen und zahlreiche Stützpunkte für Palliative Care, also Einrichtungen, die sich auf das «natürliche Sterben» spezialisieren, wie Karin Wilkening berichtet. Doch ist für sie schon länger klar, dass die einem kleinen Kreis vorbehaltenen Hospize als Aushängeschild nicht genügen und deren Grundidee Einzug in alle Alterspflege-Institutionen halten sollte. Ein solcher Bewusstseinsprozess, der die Grenzen der Spitzenmedizin nicht verdrängt, ist in den letzten Jahren europaweit in Gang gekommen. Palliative Care, die Behandlung und Pflege, die nicht Heilung, sondern umfassende Linderung zum Ziel hat, ist gerade auch in der Gerontologie ein Thema geworden.

Karin Wilkening konstatiert dies mit Freude. Gleichzeitig ist ihr, die ihr Wissen in der Freiwilligenarbeit, also als Leiterin von Trauerseminaren und Kursen für ehrenamtliche Sterbebegleiter, vertieft hat, eine solche «Spezialisierung» nicht ganz geheuer, und sie warnt vor einer sich in Deutschland abzeichnenden Überreglementierung: «Wir dürfen ja nicht von einem Extrem ins andere kippen.» Denn, so betont sie, ein behutsamer Umgang mit sterbenden und trauernden Menschen sei keine bloss technische, in einem Schnellkurs zu erwerbende Kompetenz. Dahinter stehe eine «Haltung», welche auch die spirituelle Ebene erkenne und eigene Erfahrungen mit reflektiere. Die Arbeit an dieser Haltung erachtet sie als eine gesamtgesellschaftliche Daueraufgabe, die weit über die Qualifizierung von Fachkräften hinausgeht.

«Fortschrittliche» Schweiz
Ohne ihre Kontakte zur Schweiz wäre sie in Sachen Palliative Care nicht so weit gekommen. Als Schlüsselperson bezeichnet sie den Gerontologen Roland Kunz, der am Spital Limmattal eine Abteilung für Demente sowie eine Palliativstation initiiert hatte. Mit ihm zusammen hat sie ein Buch geschrieben. Dessen zentrale Botschaft: Sterben und Tod ist ein im Heimalltag präsentes Thema. Auch über Suizidgedanken soll offen gesprochen werden können. In diese Kultur passt ihres Erachtens der vor acht Jahren gefällte Beschluss der Stadt Zürich, der Sterbehilfeorganisation Exit assistierte Suizide in Altersheimen zu erlauben. «Auch diese Möglichkeit im Einzelfall zuzulassen, widerspiegelt den ehrlichen Umgang mit dem Thema», sagt sie. Diesbezüglich sei die Schweiz Deutschland weit voraus.

Quelle: NZZ
http://www.nzz.ch/nachrichten/zuerich/karin_wilkening__grenzgaengerin_in_sachen_sterbebegleitung_1.819324.html

Zeit zu leben, Zeit zu sterben (brand eins / Aug 08)

Wir müssen alle sterben.
Hoffentlich haben wir dann jemanden, der uns die Hand hält.
Um viel mehr geht es am Ende nicht.
Besuch bei Ärzten und Krankenschwestern, die alles dafür tun, dass ihre Patienten einen guten Tod haben.

"Es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt."
(Thomas Bernhard)

Text: Peter Laudenbach Foto: Sigrid Reinichs

********

Artikel im aktuellen brand eins mit Schwerpunkt LIEBE über die Palliativstation an der Klinik München (u.a. mit Prof. Borasio)

siehe auch:
http://www.brandeins.de/home/inhalt_detail.asp?id=2754&MenuID=130&MagID=104&sid=su9111382375066128&umenuid=1

Zeitreise: Der Stellenwert alter Menschen

Die Sendung Odysso des SWR widmete sich am 10.7.08 der "organisierten Entwüdigung der Alten", so der Titel.

Einer der Beiträge beleuchtet den Stellenwert alter Menschen im Lauf der Geschichte:

Missstände in Altenheimen, Diskriminierung
bei der medizinischen Behandlung – da ist
man schnell versucht zu sagen, dass früher
alles besser war: Da wurden alte Menschen
noch im Kreise der Familie betreut, hatten
ihre Aufgaben, waren eingebunden. Das
klingt sehr harmonisch, doch die Realität
sah anders aus, wie unsere Zeitreise zeigt.
*****

Das Skriptum dieses Beitrages und der anderen vier Beiträge sowie Videoausschnitte sind abrufbar unter:
http://www.swr.de/odysso/-/id=1046894/nid=1046894/did=3564514/1r4676y/index.html

Demenz- das meistgefürchtete Altersrisiko (Vortrag A. Kruse)

Die Begegnung mit einem demenzkranken Menschen stellt die Kontaktperson vor eine be-deutende psychologische Aufgabe – nämlich vor die Aufgabe der Auseinandersetzung mit sich selbst, mit den möglichen Begrenzungen des eigenen Lebens. In dem Maße, in dem es gelingt, diese Auseinandersetzung in einer persönlich konstruktiven Weise zu leisten, wird auch die Grundlage für wirkliche Begegnung geschaffen, die eine Voraussetzung für eine fachlich wie ethisch anspruchsvolle Therapie und Pflege bildet.
[...]
Inwieweit besteht in unserer Gesellschaft Konsens, dass die fachlich und sittlich fundierte Versorgung und Betreuung alter Menschen mit Pflegebedarf als eine der Versorgung und Betreuung von jun-gen Menschen mit akuten oder chronischen Krankheiten gleichwertige Aufgabe zu betrach-ten ist? Es ist hier zu bedenken, dass sich in den vergangenen Jahren Stimmen mehren, die für den lebensalterbegründeten Ausschluss von bestimmten Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung plädieren. Angesichts der Tatsache, dass in Zukunft die Anzahl körper-lich oder psychisch schwerstkranker Menschen erkennbar zunehmen wird, sind solche Ar-gumentationen in hohem Maße bedenklich. Sie sind auch mit Blick auf die Menschenwürde nicht zu verantworten.

Auszüge aus dem Referat "Die Situation pflegebedürftiger Menschen in der Bundesrepublik Deutschland am Beispiel Demenz" von Prof. Andreas Kruse beim 111. Ärztetag in Deutschland

Volltext:
http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.2.20.5711.6204.6232

Lesetipp: Forschungsmonitoring zu Demenz

Der elektronische Newsletter des Dialogzentrum Demenz der Universität Witten-HErdecke bietet in unregelmäßigen Abständen
-Neuigkeiten aus dem Dialogzentrum Demenz
-durch das DZD bearbeitete Literaturanalysen
-Hinweise auf Veranstaltungen im Themenfeld Demenz
-Meldungen zum aktuellen Stand der durch das DZD derzeit -bearbeiteten Themen
-Monitoring neu erscheinender Fachartikel

Denn aktuellen Newsletter Juni und die Abo-Adresse finden Sie unter

http://wga.dmz.uni-wh.de/pflege/file/Newsletter1.2008/Newsletter_DZDV_mit%20Monitoring.pdf

Magensonden werden bei Demenzkranken zum Standard (D)

Die Zwangsernährung Sterbender wird in Deutschland schleichend zum medizinischen Standard. Vor allem eine hohe Zahl Demenzkranker in Pflegeheimen wird durch Magensonden (Peg-Sonden) künstlich ernährt. ... Etwa 140.000 Ernährungssonden werden jedes Jahr in Deutschland gelegt, zwei Drittel davon bei Bewohnern von Pflegeheimen. Etwa die Hälfte dieser Sondenträger ist demenzkrank. Viele Angehörige sehen in einer Sonde den letzten Ausweg, den Tod des Verwandten hinauszuzögern.

Nach Ansicht des Präsidenten der Bundesärztekammer, JörgDietrich Hoppe, kann eine Magensonde für Sterbende sehr belastend sein. Der Arzt sei verpflichtet, Sterbenden so zu helfen, dass sie unter menschenwürdigen Bedingungen aus dem Leben scheiden könnten. „Die Hilfe besteht in palliativmedizinischer Versorgung und damit auch in Beistand und Sorge für Basisbetreuung. Dazu gehören nicht immer Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr durch eine Magensonde, da sie für Sterbende eine schwere Belastung darstellen können“, sagte Hoppe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.


Quelle und Volltext (und Leserforum):
http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~E1410C38D76444A1D8A33E31E0C326498~ATpl~Ekom~SKom~Ak~E150829.html

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